Sabine Alt

Auf den Spuren von Sabine Alt

Flughafen Tempelhof (Berlin)

Der 1936 nach einem Entwurf von Ernst Sagebiel begonnene Flughafenbau wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg dem zivilen Flugverkehr übergeben. Ihm ist deutlich der Einfluß nationalsozialistischen Stilempfindens anzumerken, gepaart mit Zügen der sachlich-modernen Architektur der 30er Jahre. Im Jahr 2009 wurde der Flugverkehr endgültig eingestellt.

Gegen das Licht, S. 7

Zu beiden Seiten des Portals erstreckt sich der zweiflügelige Bau mit den massiven Kolonnadengängen. Die grauen Quader bilden einen ungerührten Hintergrund für das Treiben auf den viel befahrenen Straßen. Wuchtig döst das Gebäude in der Abendsonne. Ein steinernes Gehirn, gespickt mit den Erinnerungen einer ganzen Stadt.

Königskolonnaden (Berlin)

Im Jahr 1910 wurden die 1780 die Königskolonnaden genannten Sandsteinfiguren von der Königsbrücke am Alexanderplatz an den Eingang des Kleistparks in der Potsdamer Straße versetzt.

Gegen das Licht, S. 17

Jeden Morgen umrundet Stefanie das domestizierte Grün, hängt ihre Blicke in Zaubernuss und Forsythie, Mahonie und Schmetterlingsflieder, beobachtet das Blühen und Welken der Sträucher, deren Attraktionen kunstvoll gestaffelt sind vom Februar bis zum November. Und während sie zwischen den bröckelnden Kolonnaden hindurchläuft mit dem Blick auf vertrocknete, staubige Rhododendronbüsche, die zu Füßen abgehalfterter Göttinnen den Hitzetod sterben, denkt sie, dass es ein Fehler war, sich das Tattoo stechen zu lassen. Ein Fehler, der sie für den Rest ihres Lebens zeichnen wird.

Filmmuseum (Potsdamer Platz, Berlin)

Am 31. Mai 2006 wurde das Film- und Fernsehmuseum im Filmhaus am Potsdamer Platz eröffnet. In den schwarz gehaltenen Ausstellungsräumen mit Brücken und Durchsichten auf verschieden Etagen sind Devotionalien des deutschen Kinos zu betrachten. Im Museumsshop gibt es eine große Auswahl an seltenen Videos.

Vergiss Paris, S. 11f

Filmmuseum. Ein leeres Foyer mit dem Geruch nach Papier und Ewigkeit. Auf den Plakaten die Dietrich und zwischen den Postern eine Ruhe, die an Friedhöfe erinnert und mich tröstet. Selbst im Museumsshop flüstern alle, die Cineasten haben die Köpfe gesenkt und blättern schweigend in den Filmbüchern, als wollten sie die toten Schauspieler noch einmal beerdigen. Niemand nimmt Notiz von mir. Nur diese Frau da hinten beobachtet mich. Aber ich bin verkleidet, die Mörderin steckt in einem weißen Mantel, weiß wie die Unschuld.

Cimetière du Montparnasse

Der Friedhof von Montparnasse wurde Anfang des 19. Jahrhunderts außerhalb der damaligen Stadtgrenze angelegt. Hier liegen neben vielen anderen berühmten Persönlichlichkeiten die Schriftsteller Samuel Beckett, Marguerite Duras, Guy de Maupassant, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Susan Sonntag. Sehenswert ist die Skulptur am Grab Baudelaires.

Kinder des Wassers, S. 25

Aus dem Stein wächst, schräg nach vorn geneigt, ein muskulöser Männerkörper, vom Nabel aufwärts nackt. Der Kopf ragt hervor, die Nase ist abgeschlagen. Das Haar steht in einer wilden Tolle über der Stirn, die gewölbt und kräftig ist, darunter liegen die Augen tief in ihren Höhlen. Dem Mund fehlen fast die Lippen, so schmal ist er, seine Winkel reichen bis an den Rand des Kinns.
Der gleiche Mund findet sich unten auf der Grabplatte wieder. Hier liegt der tote Dichter ein zweites Mal in Lebensgröße aus weißem Stein gemeißelt, nur ist die Nase der Totenmaske unzerstört, raubvogelartig hat sie der Zeit getrotzt. Die füllige Mähne über der Stirn fehlt, die Haare des Toten sind streng hinter die Ohren gestrichen. Das Gesicht wirkt angespannt. Jan dagegen hatte noch beim Abschied diese Weiche in den Zügen, Johanna wird es nicht vergessen.

Métro Abbesses (Paris)

Die Pariser Métrostation Abbesses liegt 36 Meter unter der Erde an der westlichen Seite des Montmartrehügels. Sie und die Porte Dauphine besitzen die beiden einzigen von Hector Guimard (1867–1942) entworfenen Metroeingänge. Der Zugang zu den Gleisen erfolgt gewöhnlich über einen Fahrstuhl, aber die mit Tiefseemotiven bemalte Wendeltreppe ist ein Erlebnis.

Kinder des Wassers, S. 27f

Metro Abbesses, graue Wände, die Metallsitze verschmiert, hier ist die Heimstatt der Obdachlosen. Sie belegen eine Bankreihe mit Plastiktüten, alten Schuhen und Fuselflaschen. Sie entsteigen den Zügen, eben noch devote Bettler, jetzt Herren im eigenen Reich, von den letzten Feldzügen berichtend. Stolz wird die Beute hergezeigt.
Johanna hat Zeit, den Ritus zu studieren. Sie wartet auf den Fahrstuhl. Die Bettler klopfen einem eben eingetroffenen Kollegen auf die Schultern und beglückwünschen ihn. Er reicht feixend eine mit Münzen gefüllte Kappe herum, deren Inhalt unter grölendem Gelächter aufgeteilt wird. Anerkennende Blicke belohnen den Geschäftstüchtigen.

Prenzlauer Berg (Berlin)

Die schönen Lügen der Maria Wallot, S. 41

Hier, in diesem verlassenen Quartier nördlich des Alexanderplatzes, war in den ersten Jahren nach dem Mauerfall wenig geschehen. Der Ort schien lange zwischen der alten und der neuen Welt zu schweben und zunächst immer mehr zu verfallen. Es gab Straßenzüge, die immer noch wie Filmkulissen aus den Fünfziger Jahren wirkten. In der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg erstarrt. In den Jahrzehnten des sozialistischen Mangels notdürftig verwaltet. Und dann: leer, hoffnungslos, tot. Doch nun kehrte das Leben zurück. Alte Häuser hatten junge Bewohner gefunden, die, wie ehemals in Kreuzberg, mit ihren unbekümmert schrillen Farben alles zeichneten. Fassaden und Fahrräder. Brandmauern und Balkonbrüstungen. Spruchbänder und Suppenküchen. Eckkneipen und Erkerfenster. Daneben etablierten sich hippe Architekturbüros, trendige Werbeagenturen und schräge Restaurants. Und der Wallot-Verlag.